Inhalte und Themenschwerpunkte des Instituts

Das Institut bietet jedes Jahr ein breit gefächertes Programm an Vorlesungen, Seminaren und Kursen an. Eine Auswahl an Inhalten und Themenschwerpunkten ist in der nachfolgenden Übersicht dargestellt. Der wiedergegebene Vortrag über „Transkulturelle Aspekte der Psychoanalyse“ (A. Morich) bietet zudem eine gute Möglichkeit, einen ersten Eindruck über die inhaltliche Arbeit am Institut zu erhalten. Das gesamte Angebot ist für alle offen, die ihrer persönlichen Entwicklung gegenüber aufgeschlossen sind.

Auf die Psychologie bezogene Themen

  • Grundlagen der Analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung und seiner Nachfolger (u.a. Marie-Louise von Franz, Erich Neumann, Jean Gebser oder Wolfgang Giegerich)
  • Theorien der Tiefenpsychologie (u.a. Sigmund Freud, Alfred Adler, C. G. Jung) … und je nach persönlicher Eignung die Arbeit an Fallbeispielen
  • Träume und ihre Deutung
  • Psychologie der Mythen und Märchen
  • Psychologie und Soziologie
  • Vergleichende Entwicklungspsychologie
  • Grundlagen der Psychiatrie und Psychopathologie
  • Theorien des Unbewussten nach dem neuesten Erkenntnisstand
  • Persönlichkeitstheorien und -typologien
  • Selbsterfahrungsanalyse

Religions- und kulturvergleichende Themen

  • Vergleichende Religionswissenschaften
  • Kunst- und Kulturwissenschaften
  • Symbolkunde
  • Grundlagen der Ethnologie
  • Kulturanthropologische Theorien
  • Alchemie und deren heutiges Verständnis

Meditation, Achtsamkeit und Bewusstseinsentwicklung

  • Meditationstechniken sowie moderne Konzepte spiritueller Entwicklung und Erfahrung
  • Moderne Theorien der Bewusstseinsstrukturen (z.B. Jean Gebser)

Transkulturelle Aspekte der Psychoanalyse

Vortrag von A. Morich anlässlich der Gründung des Mitteldeutschen Instituts für Psychoanalyse e.V. in Halle, 1993

„Die Welt ist ein Traum, Menschen, werdet wach!“

In der Geschichte der Tiefenpsychologie spiegelt sich die abendländische Geistesgeschichte wider. Psychoanalytisch die Sexualität aus der seelischen Verdrängung zu befreien, war notwendig, weil sie epochenweise als sündhaft aus dem kulturellen Bewusstsein verbannt worden war. Diese Befreiung war zum Beispiel in Japan nicht erforderlich.

Entscheidender Unterschied zwischen Asien und Europa ist, dass Asien wohl den Wert, aber die Begrenztheit des begrifflichen Denkens und Wahrnehmens deutlicher sieht als wir. Unsere Gefahr besteht darin, dass wir Erfahrungen sofort Denkmodellen und Konzepten zuordnen und unterordnen, obwohl das binäre System Sprache nicht in der Lage ist, die Erfahrung abzubilden.

Wenn auch ungewollt, geschieht so die Erfahrungseinschränkung durch Sprache! In der Geistesgeschichte Ostasiens gibt es keine Spaltung von Materie und Geist, von Leib und Seele. Auch gibt es keine kategoriale Einordnung von gesund und krank, wie wir es kennen. Yin und Yang sind keine Gegensatzpaare, keine Dualismen, keine Ambivalenzen. Sie sind Pole der gleichen Dimension.

Ebenso steht es um unsere Einteilung: das Heil als religiöse Dimension und die Heilung als therapeutische Dimension!

Den zermürbenden und spaltenden Konflikt zwischen Glauben und Wissen des Abendländers hat Ostasien nie gelebt.

Philosophische wie psychologische Systeme bleiben offen!

In Japan blieb die traditionelle Shintoreligion bestehen, während in der langen Geschichte buddhistische und chinesische Wege übernommen wurden. Ein Japaner kann auch heute parallel mehreren Religionsgemeinschaften angehören. Kein Wunder, dass in Japan nach dem 2. Weltkrieg die Psychoanalyse ohne Schwierigkeiten sich in die Therapielandschaft einordnen ließ. Kritisch entdeckt man Grenzen und lebt neugierig, tolerierend mit der Brauchbarkeit einer so jungen Methodik.

Man beachte, dass Japan sich auf einen Jahrtausende und Jahrhunderte alten Kanon hinduistisch/buddhistischer und daoistischer, psychischer sowie geistiger Erfahrungen beruft. Die Kategorien „gut und schlecht“, „gesund und krank“ werden in operationale Betrachtungen verwandelt.

Zum Beispiel: Tun Sie in folgender Situation das und das, und es wird sich danach voraussichtlich folgende Erfahrung einstellen. Der Patient / der Schüler im Kloster macht das im Vertrauen auf seine Meister und Therapeuten.

Ob in Kliniken oder Klöstern, mit diesem tradierten phänomenologischen Operationalismus wird der Weg zur lebendigen Erfahrung gezeigt.

Die Auseinandersetzung mit der japanischen psychotherapeutischen Methodik und den Meditationspraktiken führt notwendigerweise zum Kultur- und damit zum Religionshintergrund selbst.

Spätestens jetzt, über diesen Umweg, holt uns unsere christlich abendländliche Kultur mit ihrer Spaltungsphänomenologie wieder ein.

Das christliche Abendland kommt nicht umhin, seine psychoanalytisch hochdifferenzierte Methodik als Teil der Spaltung, die sie entdeckt, selbst zu verstehen! Unser tiefenpsychologischer Ansatz ist ohne die Grundannahme von Unbewusstheit nicht denkbar. Nun wird aber in Japan das Tagesbewusstsein der Seele als bereits graduiert unbewusst erlebt.

Das gipfelt in den daoistischen/japanischen Satz: Die Welt ist ein Traum, Menschen, werdet wach!

Die scharfe Trennung von Bewusstheit und Unbewusstheit gibt es nicht, wenn schon, dann gibt es beides gleichzeitig.

(Als Beispiel: In der Zen Meditation wird äußere und innere Wachheit gleichzeitig erlebt.)

Alle meditativen und therapeutischen Wege zielen darauf ab, Wachheit im ständigen Lebensvollzug und im Gegenwärtigsein zu erfahren (ganz Da – sein). Das Phänomen der Zen-Meditation zeigt uns, dass es keiner Theorie rationaler, begrifflicher Form bedarf! Rationalität wird jedoch ohne Argumente zugelassen, integriert und transzendiert.

Eine zukünftige Psychotherapie könnte ich mir zwar religionsoffen vorstellen, aber nicht ohne Richtung (Gesundheit ist zu wenig), nicht ohne Spiritualität und der Integration von Körperlichkeit.

Das alles bei Beachtung der 4-Poligkeit, das heißt, gleichzeitige Wahrnehmung, dass, um einen Pol im Äußeren zu ändern, im Inneren ein Pol ergänzt werden muss. Um zu verdeutlichen, was ich meine, ist ein Vorwurf des Abendlandes hilfreich, der die Psychotherapie in Europa wie den Buddhismus mit seinen Praktiken gleichermaßen trifft.

Es geht um die beiden Kategorien Selbsterlösung und Fremderlösung.

Für unsere Kultur sind es Gott-Vater und Christus, die Erlösung versprechen!

Selbsterlösung und Fremderlösung sind jedoch keine buddhistischen Bewertungsmuster!

Im Buddhismus wird nach dieser unserer Bewertung kritisch, abwartend, distanziert als Vermittler von Selbsterlösungspraktiken und damit als glaubensfeindlich meditiert.

Das ist bei uns, auch bei Nichtchristen, kulturell unbewusst verankert.

Solches geschieht gegenüber der Psychotherapie, der bis heute von Vertretern der christlichen Religion ebenfalls Selbsterlösung vorgeworfen wird.

Aus der Sicht des Buddhismus ist jedoch Fremderlösung unmöglich, weil der Anteil, der zum Glück notwendig ist, von jedem selbst erbracht werden muss.

Damit ist Kritik zwar benannt, sie bleibt aber im abendländischen Kontext stecken. Asien bleibt davon unberührt. Das Problem der Fremderlösung bedeutet für den kulturell religiösen Rahmen, den Blick auf Gott-Vater nebst Christus zu richten, für den psychotherapeutischen Rahmen auf den Psychotherapeuten und weiter gefasst, den Pfarrer und den Politiker.

Die Spaltung, die Projektion ist perfekt, und das ganze Drama wird nicht dadurch besser, wenn wir Gott-Vater durch die Göttin-Mutter ersetzen.

Das führt weiter in der Auseinandersetzung zum unterschiedlichen Verständnis von Übertragung zum Pfarrer/Priester, Psychotherapeuten und Guru in unserer abendländischen Kultur. Daran schließt sich die Kritik der Weltabgewandtheit und Weltfremdheit von Psychotherapie und Meditation gleich mit an.

Das positive Potenzial von „Wachheit für die Welt in der Welt“ wird keiner dieser beiden Richtungen gern zugestanden. Für unseren Berufsstand – Psychoanalytiker – wächst aus der Gespaltenheit von religiöser und psychotherapeutischer Erfahrung die Gefahr, Psychotherapie als Religions- und Glaubensersatz zu benutzen, oder aber, reduktionistisch, die Psychoanalyse als Methodik der Machbarkeit zu missbrauchen.

Mit dieser kritischen Spannung werden wir leben müssen.

Wir sollten sehr wach sein!

Auch in Japan erfährt methodisches Wissen höchste Wertschätzung für die Bereitung und Öffnung des Nichtmachbaren. Für uns kommt die Lösung aus dem bisher nicht Gewussten, dem Unbewussten.

Wir Therapeuten wissen um den Schatz echter seelischer und spiritueller Erfahrung.

Und typisch asiatisch geantwortet heißt das: Wir haben ein Recht auf die Tat, aber niemals recht für die Früchte unserer Tat.

Zen-Meditation und Therapie verstehen sich weder als Religion noch als Philosophie.

Zen versteht sich als ständige Praxis und Gegenwärtigkeit von Erfahrung.

Die im Zen mögliche Fundamentalerfahrung von Tiefe und Wachheit kann belebend und befruchtend auf Religion und Psychotherapie des Abendlandes zurück wirken.

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