Die Rose
spricht alle Sprachen.

Ralph W. Emerson (13)

Obwohl ihr nur eine einzelne Blume beobachtet, schließt diese Blume alles in sich ein. Sie ist nicht nur eine Blume.
Sie ist das Absolute. Sie ist der Buddha selbst.
(Shunryu Suzuki) (14)

Die vielfältige Symbolik der Rose reicht von himmlischer Vollkommenheit bis zu irdischer Leidenschaft und Liebe, Fruchtbarkeit und Jungfräulichkeit, Leben und Tod, Zeit und Ewigkeit – als ein inneres Zentrum und Mysterium des Lebens. Rose und Lilie nehmen im Abendland den Platz ein, den im Orient der Lotos hat (2).

Abb. Rose „Belle Isis“ (Gruppe Rosa gallica)

Das Rosenmotiv durchzieht Mythen und Märchen, Dichtung und Musik und auch die gestaltenden Künste und natürlich Rosengärten. Ihren Ursprung hat die Rose vermutlich in Persien. In Indien, China und Japan sind Rosenkulturen seit Jahrtausenden bezeugt. In der persischen Mystik gilt die Rose als Manifestation Gottes, dessen Gegenwart als herrliche rote Rose erstrahlt. Eine Inschrift aus Indien erzählt, dass Rosen ein kostbares Geschenk aus dem Paradies sind (4).

Mit der Eroberung Ägyptens kam die Rose an den Nil, wo sie wesentlicher Bestandteil des ägyptischen Totenkultes wurde. Von dort nahm sie den Weg nach Griechenland und ins Römische Reich, auch hier entflammte der Rosenkult (4;11).

Der Göttin der Liebe Aphrodite (Venus) geweiht, begleitete sie religiöse Zeremonien und Feste. Die Unterweltsgöttin Hekate trägt einen Kranz aus Rosen – ihr baldiges Verblühen symbolisiert die Vergänglichkeit des Lebens. So ziert die Rose bis heute Gräber und Grabschmuck (2;11;12).

Seit Millionen von Jahren gibt es Rosen auf der Erde – die fünfblättrige Rose in ihrer Urform zeigt sich als Symbolfigur in ihrer vielfältigen Bedeutung für den Menschen (10), wie es z.B. in der «Luther-Rose» ersichtlich wird.

In Symbole der Wandlung deutet C.G. JUNG das Gleichnis HÖLDERLINs An eine Rose: Im Mutterschoß der Natur ist die Rose des Dichters das Symbol des geliebten Weibes, dort waltet ein ewiges Keimen und Wiedererneuern und alle Möglichkeiten der Verwirklichung sind enthalten (5;6c), denn er ist bei der Mutter – einer Zeit der Mühelosigkeit.

In APULEIUS Roman Der goldene Esel gehören die Rosen zur feierlichen Prozession zu Ehren der ägyptischen Göttin Isis. Auf dem Höhepunkt des Romans werden die erlösenden heiligen Rosen der großen Göttin einverleibt und Lucius, der geplagte Held des Romans, wird in die Isis- und Osiris-Mysterien eingeweiht (2;3;9;11).

C.G. JUNG schreibt, dass die Rose dem geistigen Bereich zugehörig ist. Als «rosa mystica» ist sie die allegoriae Mariae. Im spätmittelalterlichen «Rosenkreuz» heißt es «per crucem ad rosam». Im weltlichen Bereich ist sie die hohe Geliebte, die «rosa» der Dichter (6c;7a).

In DANTES «Paradiso» wird sie als Himmelsrose zum Mandala (6b;6c;7a;8a). Als «Weltenrose» und «rosa mystica» ist in ihr nicht nur das Wissen um die alte Weltenmutter und die Göttinnen Isis, Demeter, Kybele und Venus-Aphrodite bewahrt, sondern auch die keltisch-germanische Mystik, die sich um die hiesige Wildrose «rosa canina» als Sinnbild für das ewige Leben rankt.

In seinen Studien über alchemistische Vorstellungen verweist C.G. JUNG auf die Lapis-Christusparallele als vermutliche Brücke, über welche die Rosenmystik in die Alchemie gelangte (8a). Im Rosarium philosophorum aus dem 13. Jhd. sind die weiße und die rote Rose Endprodukte der Verwandlung von König und Königin (7c;7d;8a) – Symbol der Beziehung und des «rosafarbenen» Blutes in der Gestalt der roten Tinktur (8b;11). Sie sind Ausdruck der heilenden bzw. ganzmachenden Kraft des Eros. Rosen mit sieben Blattreihen symbolisierten für die Alchemisten die sieben Planeten mit den dazugehörigen Metallen und ihr Geheimwissen (1;7b). Die geschlossene Rosenknospe galt den Menschen seit der Antike als «sub rosa», das war ein Brauch, um die Verschwiegenheit über Geheimnisse und das Gesprochene zu bewahren (1;2;11).

„Was wäre die Wildrose ohne die Resonanz mit dem Menschen, ohne den, der Heilung sucht und sie als Heilende erkennt? … Die Rose wächst über ihr materielles Wildrose-Sein hinaus und mit dem Menschen in sein höheres Selbst hinein. In der Erkenntnis dieses Weges liegt das eigentliche Geheimnis der Heilung, das Geheimnis des «Tausendjährigen Rosenstocks».“ (Chr. Kiehs-Glos) (4)

Wer eine Rose aufmerksam betrachtet, wird sie als Urbild von Erfüllung, von Ganzheitlichkeit auch in sich selbst entdecken. (4;6a;6b)

Ebenso verspricht der persische Dichter RUMI aus dem 13. Jahrhundert:

„Dem Herzen folge du, daß du im Innern Rosen und Grünes wachsen siehst,
der Treue Strom magst sehen.“

Quellen (1), (2), (3), (4), ...

(1) Becker, Udo: Lexikon der Symbole. Verlag Herder im Breisgau, 2001, S. 243-244

(2) Cooper, J.C: Lexikon der traditionellen Symbole. Drei Lilien Verlag GmbH, Wiesbaden c. by E.A. Seemann Verlag, Leipzig 1986

(3) Franz von, Marie Luise: Der goldene Esel, Der Roman des Apuleus in tiefenpsychologischer Sicht. Verlag Stiftung für Jung’sche Psychologie, Küsnacht ZH und Emmanuel Kennedy, 2004, S.165-166

(4) Godzik, Peter: Wissenswertes über die Rosen, 2008, https://archive.org/details/opensource

(5) Jung, Carl Gustav: Symbole der Wandlung, Gesammelte Werke Band 5. Walter Verlag, Sonderausgabe 1. Auflage 1995, S. 506 §619

(6) Jung, Carl Gustav: Die Archetypen und das kollektive Unbewusste, Gesammelte Werke Band 9/I . Walter Verlag, Sonderausgabe 1. Auflage 1995 ,6a.S.204§315, 6b. S. 381§646, 6c. S. 383§652

(7) Jung, Carl Gustav: Psychologie und Alchemie, Gesammelte Werke Band 12. Walter Verlag, Sonderausgabe 1. Auflage 1995, 7a.S.98§99, 7b. S.100 Abb.29, 7c. S102 Abb. 30, 7d. S. 411 Abb.193

(8) Jung, Carl Gustav: Studien über alchemistische Vorstellungen, Gesammelte Werke Band 13. Walter Verlag, Sonderausgabe 1. Auflage 1995, 8a. S.316,317§389, 8b.S.317§390

(9) Harding, Esther: Frauen-Mysterien Einst und Jetzt. Verlag Schwarze Katz, Berlin, 1982, S.152

(10) Schleiden, Matthias Jacob: Die Rose. Geschichte und Symbolik in ethnografischer und kulturhistorischer Beziehung. Engelmann, Leipzig, 1873

(11) ARAS Archive for Research in Archetypal Symbolism: Das Buch der Symbole. Betrachtungen zu archetypischen Bildern. TASCHEN, Köln, 2010

(12) Wikipedia: Rosen (https://de.wikipedia.org/wiki/Rosen)

(13) Ralph Waldo Emerson: Poems (Kapitel III, Nature I). Household Edition, Houghton Mifflin Company, Boston and New York, 1904

(14) Shunryu Suzuki, Branching streams flow in the darkness, Zen talks on the Sandokai, University of California Press, 2001

„Schneeweise Himmelsrose“

(Gustave Doré, 19. Jh.)

In der Gestalt einer weißen Rose zeigte sich mir / also die heilige Kriegerschar,
die Christus mit seinem Blut / zu seiner Braut nahm …
Das Paradies, 31. Gesang, Vers 1-3
Dante Alighieri, Göttliche Komödie

Lutherrose

(Martin Luther, 16. Jh.)

„Das erste sollt ein Kreuz sein, schwarz im Herzen … Solch Herz aber soll mitten in einer weißen Rosen stehen … denn weiße Farbe ist der Geister und aller Engel Farbe. Solche Rose stehet im himmelfarben Felde … Und … einen goldenen Ring, daß solch Seligkeit im Himmel ewig währet …“ Luther, Krit. Gesamtausgabe, Bd. 5, Weimar: H. Böhlhaus 1883, S. 444

Rosarium Philosophorum

(Frankfurt, 16. Jh.)

„Die Zweige … tragen je zwei Blumen. Diese Vierzahl deutet wieder auf die vier Elemente, von denen zwei die aktiven, Feuer und Luft, und zwei die passiven, Wasser und Erde, bedeuten …. Aus der Höhe kommt die eine, fünfte Blume, … die quinta essentia.“
C.G. Jung, GW 16, S. 211 § 410

Illustration zum Märchen „Fundevogel“

(F.A.M. Fellner, 19. Jh.)

„Werde du zum Rosenstöckchen, und ich zum Röschen darauf“
KHM 51: Fundevogel, Brüder Grimm

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